Llangollen Canal

Llangollen Canal

In der ersten Oktoberwoche 2002 haben wir das erste Mal das Fahren auf einem englischen Hausboot, einem so genannten Narrow Boat, versucht. Und wir waren kurz gesagt begeistert!

Diese Narrow Boats sind abgesehen vom Dieselmotor und der Tatsache, dass auch sie die auf Hausbooten üblichen Annehmlichkeiten wie Küche und Dusche & WC bieten, doch ganz anders als die Broad Beam Boats, die wir vorher kannten. Während die üblichen Boote so zwischen 9 und 11 Meter lang und ca. 3,2 bis 3,5 Meter breit sind, sind Narrow Boats eben narrow = schmal: ca. 2 Meter! Dafür sind auch die kleinen Boote bereits um die 15 Meter lang, ein völlig neues Gefühl. Auch die Tatsache, dass die Narrow Boats nicht so sehr “um den Bug steuern” wie die sonst üblichen Boote, sondern mehr um einen Punkt in der Mitte, ist anfangs ebenso gewöhnungsbedürftig wie die Ruderpinne achtern, denn ein Steuerrad sucht man auf einem Narrow Boat vergeblich.
Davon mal abgesehen, sind die Narrow Boats, die wir gesehen haben, durchgängig trotz der Enge gemütlich mit Holzvertäfelungen, gut funktionierenden Heizungen, Radio und oft sogar Fernsehern ausgestattet. Nun gut, dass die kleinen Antennen oftmals keinen vernünftigen Empfang bieten ist eine andere Sache, aber wer will im Urlaub schon Fernsehen?

Unsere erste Fahrt war auf dem Llangollen Canal von Wrenbury bis Llangollen und zurück. Auf der ganzen Strecke gibt es kaum 20 Schleusen, was uns nach unserer Fahrt auf dem Canal du Midi doch etwas traurig machte. Die Trauer dauerte allerdings nur so lange, bis wir feststellten, dass diese Schleusen alle nur wenig mehr als 30 cm breiter und kaum länger als das Boot sind - eine echte Herausforderung, gerade bei Wind - und samt und sonders von Hand bedient werden müssen. Da hat man abends doch ganz schön Appetit, wenn man die jeweils vier Schleusenklappen rauf- und runtergekurbelt hat und die großen Schleusentore aufgewuchtet hat.

Man sollte bei seiner Urlaubsplanung durchaus darauf Rücksicht nehmen, dass man nicht, wie auf den Kanälen auf dem Kontinent, beliebig wenden kann, wenn man zurückfahren will. Die Boote sind so lang und der Kanal so schmal, dass das Wenden nur in den winding holes möglich ist; und die gibt es eben nicht so oft. Dafür gibt es eine Unzahl von Brücken, unter denen zu allem Überfluss auch noch der alte Treidelpfad läuft, so dass die eigentliche Brückendurchfahrt sehr schmal ist.
Wenn man dann noch weiß, dass der Llangollen Canal trotz der Tatsache, dass er ein Kanal ist, eine deutliche Strömung hat, die sich an Verengungen, also z.B. den Brückendurchfahrten, noch erhöht, dann werden auch die Brücken bald zum Alltag gehören. Zu Anfang sind sie aber gerade bei Fahrten gegen den Strom mit Vorsicht zu genießen.

Unterwegs, so wie auf dem Bild an Prees Junction, begegnet man anderen Booten, die ebenso bunt und fröhlich bemalt sind wie das eigene. Auch hier gilt der Kanal- Knigge: an festgemachten Booten fährt man in Schleichfahrt vorbei, damit auf denen nicht die Teetassen überschwappen.
Abgesehen von den Brücken gibt es auf dem Llangollen Canal aber einige wirkliche Highlights:

 

den 450 Meter langen Chirk-Tunnel und das Chirk-Aquädukt, die von einem Wartebecken getrennt direkt aufeinander folgen

 

den etwas kürzeren Whitehouse Tunnel

 

und last but not least das gusseiserne Pontcysyllte-Aquädukt

Dieses fast 300 Meter lange Aquädukt wurde vom Ingenieur Thomas Telford gebaut und ist sicherlich auch heute noch eins der technischen Weltwunder, wenn man bedenkt, dass die gußeiserne Wanne auf Steinpfeilern in fast 40 Metern Höhe über das Tal des River Dee führt (rechtes Bild). Für Leute mit Höhenangst ist das sicherlich nichts, schließlich kann man vom Boot über eine Handbreit Wasser und das bißchen Aquäduktwand (linkes Bild) direkt auf den Dee und die Bäume unten im Tal runtersehen.

In der Newsgroup uk.rec.waterways bekamen wir u.a. die folgende Empfehlung zur Überquerung des Pontcysyllte-Aquädukts:

      
Send wife, servants, and horse by the lower road and don’t look down yourself.

und tatsächlich haben wir Boote gesehen, auf denen Leute saßen und sich die Hände vor das Gesicht hielten. Die eigentliche Überfahrt ist aber bei Windstille absolut problemlos.


Zum Abschluss auch hier ein paar Dinge, die wir unterwegs gelernt haben:

 

Die Briten sind sehr freundlich und hilfsbereit, auch bei Leuten, die nicht so toll Englisch sprechen. Allerdings gibt es kaum Hoffnung, jemand zu treffen, der Deutsch spricht.

 

Die Boote sind sehr gut ausgestattet und gemütlich. Wir haben uns auf keinem Boot bisher so wohl gefühlt.

 

Auch allein sind die Schleusen zu meistern, ob man sich diesen Stress allerdings antun sollte ... zu zweit waren sie jedenfalls gut zu schaffen; insbesondere, weil oft noch nachfolgende Besatzungen halfen, die Schleusen hinterher zu schließen.

 

Im Gegensatz zu den in Frankreich und in anderen Gebieten inzwischen horrenden Betriebsstundenabrechnungen sind die Preise (fast immer) all-inclusive Preise, so dass für Diesel keine weiteren Kosten entstehen.

 

Sehr zu unserem Leidwesen mußten wir feststellen, dass das viel gepriesene leckere und günstige Bar Food zwar immer noch lecker, aber meist gar nicht mehr günstig ist. Wie die Briten das bezahlen, ist uns immer noch ein Rätsel.

 

Auf dem Llangollen Canal gibt es einige zum Teil sehr lange (bis 800 Meter) verengte Kanalstücke, das letzte/erste direkt in Llangollen und das nächste hinter den Liegeplätzen von Llangollen. Außerdem gibt es eine Reihe von in Kurven liegenden unübersichtlichen Brückendurchfahrten.
An diesen Stellen ist es sehr ratsam, ein Besatzungsmitglied abzusetzen und vorauszuschicken, um die Lage zu peilen. Erst wenn der Weg frei ist, sollte man dann in das enge und/oder unübersichtliche Wegstück einfahren, denn rückwärts- fahren ist mit Hausbooten, egal welcher Art, zwar irgendwie möglich, aber kein Spaß!
An diesem Punkt tritt dann für 2-Personen-Besatzungen das Problem auf: wie hält man den entgegenkommenden Verkehr auf und signalisiert gleichzeitig, dass das eigene Boot einfahren soll!??
Wir haben auf dieser Fahrt einige Besatzungen mit Walkie-Talkies gesehen und uns gewundert. Nach diesen Engpässen wußten wir es besser ... und werden auf der nächsten Fahrt auch Walkie-Talkies einsetzen.


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